Tag 7: Mein grössster Gegner ist die Luft

Jeden Morgen werden wir mit einem Shuttlebus auf das Wettkampf-Gelände gefahren. Die Athleten treffen sich in der Aula des Hotels - die einen plaudern, die anderen dösen noch. Wieder andere gehen ihren Gedanken nach und bereiten sich so auf den Tag vor. Das ist Ultratriathlon: Man weiss nie, was der Tag so bringen wird. Du kannst dich schlecht fühlen, und das Rennen wird super. Oder umgekehrt: Du fühlst dich ausgeschlafen und frisch, und kaum bis du im Wasser und machst die ersten Armzüge, fühlt sich alles scheisse an. So wie heute bei mir. 

 

Der siebte Tag war mit Abstand der anstrengendste, sowohl körperlich wie auch mental. Der Veranstalter hat unser Anliegen ernst genommen und die Schwimmstrecke halbiert. Alle fühlen sich jetzt sicherer. Du musst dich aber extrem konzentrieren, damit du dich bei den 3.8 Kilometern nicht verzählst. Bin ich jetzt in der fünften Runde - oder hab ich schon fünf? Nein, ich bin beim Leuchtturm schon sieben Mal vorbeigeschwommen, oder? (Ein Wunschdenken, hihihi).

 

Dass ich schlotternd aus dem Wasser krieche, daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Es sieht schlimmer aus, als es ist. Der Nachteil ist nur, dass der Muskel kaputt geht - das hab ich dann auf dem Rad gemerkt. 


Ich war kraftlos, die Lunge war geschlossen, Magen und Darm haben nicht gearbeitet. Ich musste auch mit Motivationsproblemen kämpfen. Nach 35 Runden dachte ich das erste Mal: Was, noch soooo weit? Da hatte ich erst die Hälfte geschafft. Der raue Asphalt schmerzte in allen Gelenken. Bei der verkürzten Strecke hat man nur einen Meter Platz in der Breite, da kann man den Schlaglöchern nicht einfach ausweichen. Morgen gehen wir aber zum Glück wieder auf die grosse Runde. 

 

Der Mann des Tages war heute Dave Clamp. Ich glaube, er hat mich sogar beim Schwimmen überrundet. Beim Radfahren hat er alle stehen gelassen und beim Marathon alle in Grund und Boden gehämmert. Ich hatte heute sowieso das Gefühl, dass die Top vier Athleten zwei Messer bei sich hatten. Eins zwischen den Zähnen und eins steckte im Rücken. 

 

Auf die Laufstrecke habe ich heute wieder mal als Vierter gewechselt. Es traf ein, was ich befürchtet hatte: Die Lunge streikte. Ich musste teils gehen und zuschauen, wie die anderen davonspringen. Mein lieber blauer Zeh kam aus der mentalen Schublade heraus. Ich kann ihn mental nicht mehr ignorieren. Er begleitet mich seit dem ersten Tag. Ich hatte im Training mal einen 50-Kilometer-Lauf mit zu kleinen Schuhen absolviert. Seither hab ich den blauen Zeh, und er ist nicht mehr rechtzeitig herausgewachsen. Heute Morgen ist ein Teil des Nagels abgebrochen. Ich schaffte es in meiner Erschöpftheit nicht mehr, den Schmerz zu unterdrücken. So muss ich die Situation akzeptieren, wie sie ist. 

 

Einen speziellen Dank möchte ich heute an Carsten Sacher, Alexandra Meixner und meine Betreuerin aussprechen. Ich habe gekämpft wie die Sau, und sie haben mich angefeuert. Wie alle Athleten geben wir uns gegenseitig Kraft. Seit sieben Tagen schwimmen, fahren und laufen wir im Kreis herum, sieben Mal Ironman Hawaii hintereinander. Da geht man zusammen durch jede Krise. Und freut sich zusammen über einen gelungenen Tag. Dieses Netzwerk, diesen Mythos von Ultratriathlon kann man nicht in Worte fassen. Man muss ihn erlebt haben. 

 

Go for the Deca!! 

 

P.S.: Wer meint, ein Deca ist ein Erlebnis und kein Wettkampf, der irrt sich. Da wird gefightet, gequält, gepusht, jeden Tag von Neuem. Diesen Wettkampf braucht es, um die Spannung aufrecht zu halten. Sonst melden sich die Schmerzen, und du merkst, wie müde du eigentlich wirklich bist. Ich wünsche allen Athleten, die noch im Rennen sind, dass ihr Wille stark genug ist, um ins Ziel zu kommen. Sie sind schon so weit gekommen - die Angst vor einem Unfall, einer Verletzung, einer Krise ist ein ständiger Begleiter. Seit dem ersten Tag. Es gibt viele Dinge, die du nicht beeinflussen kannst und die dich zum Aufhören zwingen. Ich wünsche sie keinem auf dem Platz. Alle Athleten träumen nur vom einen: finishen. Egal auf welchem Rang und in welcher Zeit, go for it ... 

 

Resultate Tag 7

Tagesrang: 4

Zeit: 11:55:08